Meine |
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ist 40, |
Herzlichen Glückwunsch!
40 Jahre ist eine lange Zeit: An ein solch langes Leben für
ein Sportmoped, daran haben die Leute von NSU sicherlich 1958 auch nicht
gedacht. Ein Hersteller, der seine Quickly in solch großer Stückzahl
produziert, denkt in erster Linie an die Motorisierung der Massen und nicht
an den Bau eines Liebhaberfahrzeuges wie es meine Cavallino später
wurde. Aber nun alles hübsch der Reihe nach.
Meine erste Bekanntschaft mit der Cavallino machte ich als noch 15jähriger
Maschinenschlosser-Lehrling. Ein um 2 Jahre älterer Kollege hatte einen solch schönen roten
Flitzer. In den damals noch recht langen Mittagspausen in der Firma wurden
die Mopeds der Älteren natürlich von uns Jüngeren gebührend
bewundert. Da gab’s die unheimlich schnelle, aber auch im Preis recht teure
Kreidler-Florett. Rex baute eine schöne „Riva“ Victoria eine „Avanti“,
der Name allein sagte schon alles. Aber alle sahen ganz alt aus gegen eine
„Cavallino“ von NSU. |
Da war der millionenfach bewährte Quickly-Motor,
der auch noch sehr einfach zu „frisieren“ war, die moderne Telegabel, welches
andere Moped hatte das schon? Eine Tank-Sitzbank-Kombination mit einem
hervorragenden Knieschluß, keine Kreidler konnte das bieten. Dann
der Stummellenker, sah verdammt schnell und nach Rennmaschine aus. Dazu
ein formschöner italienisch gestylter Rohrrahmen, dagegen waren die
anderen doch nur lächerliche Blechbananen. |
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Die Vorteile sprachen einfach für die Cavallino. Sie war zwar
mit ihren 1,3 PS in der Originalversion zwar etwas untermotorisiert und
nicht so schnell wie die 3 PS starke Kreidler-Florett. „Aber das kriegen wir schon hin“, meinte vertrauensvoll ein erfahrener
Kumpel.
„Da muß man eben ein wenig nachhelfen“.
Was immer er auch darunter verstand, er mußte es ja genau
wissen, schließlich war er schon im 3. Lehrjahr.
So sparte ich von nun an jede Mark und Groschen von meinem so schwer
verdienten Lehrgeld, wälzte Prospektmaterial und besprach die Sache
mit Freunden, die schon ein Moped hatten. Die „normalen“ Mopeds interessierten
mich wenig. Es mußte unbedingt ein Sportmoped sein. Die ersten warmen
Sonnentage des März 1960 ließen mich dann nicht lange zögern,
als ich ein „einmaliges“ Angebot bekam.Für ganze 300,- Mark war eine
Gebrauchte zu haben. Und schon konnte ich als gerade 16jähriger in
den herannahenden Frühling starten. Welch ein Gefühl, endlich
flügge zu sein. Endlich diese Schinderei mit dem Fahrrad hinter sich
zu lassen! Und dann die Freunde, alle sollten sie vor Neid erblassen. Ich
weiß noch heute, wohin die ersten Touren gingen. 200 km an einem
Wochenende war da keine Seltenheit. Aber auch der damalige Preis von knapp
50 Pfennigen für einen Liter Sprit riß schon ein großes
Loch in das verbleibende Budget. Man bekam ja schließlich nur 75
DM im Monat. Also mußten einige liebgewonnene Dinge dran glauben.
Meine Schallplattensammlung wurde zusehends kleiner. Noch heute bedauere
ich den Verkauf einiger Platten von „Papa Bues Viking Jazz Band“, Buddy
Holly und Elvis Presley. Aber es mußte sein, schließlich war
das Gefühl der gerade gewonnenen Freiheit stärker.
Nach einigen Monaten des schönen Erlebens kam dann auch der
Drang nach mehr Leistung und Geschwindigkeit.
Es machte eben keinen Spaß, immer von den Kreidlerfahrern
überholt zu werden. |
Da hatte ich doch neulich eine unheimlich schnelle Cavallino
vorm Kino gesehen. Und das Geräusch, das von ihr ausging und an mein
Ohr drang, klang verdammt gut und kam bestimmt von einem Rennvergaser.
Das mußte ich mir mal aus nächster Nähe ansehen.
Richtig. „Dellorto“ stand am Vergaser und der offene Ansaugtrichter
ließ den ungehinderten Blick zum Kolben frei.
Mann das war’s, ein solches Teil mußte her, koste es was es
wolle.
In der nächsten Eisdiele kam ich dann mit dem Fahrer des Gerätes
ins Gespräch und nach einer Cola konnte ich ihn dann auch einige Frisiergeheimnisse
entlocken. |
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„Ein großer Vergaser allein bringt dir wenig“, meinte er.
„Da muß man schon mehr machen“.
„Du feilst zuerst den ganzen Ansatz unterm Zylinderkopf weg“,
Aha!
„Wie, den ganzen? Das sind doch mehr als 2 mm“, ich konnte es einfach
nicht glauben.
„Ja alles, das gibt eine höhere Verdichtung“, wurde ich aufgeklärt.
Dann zum 16er Dellorto einen möglichst kurzen Ansaugstutzen
machen und die Übergänge zum Ansaugkanal schön polieren!
Eine Skizze für das Überarbeiten der Zylinderkanäle hatte
dann der gute Kumpel aus dem 3. Lehrjahr parat.
„Und dann muß noch ein anderer Auspuff dran, am besten eine
Renntüte“. - Aber woher nehmen?
„Oder du nimmst den großen „Pott“ von der Kreidler, ist für
dich vielleicht einfacher zu beschaffen“.
„Dann haste Leistung satt“!
„Wenn du dann noch vorn ein 14er Ritzel aufziehst und hinten ein
30er Kettenrad montierst, biste bestimmt schneller als jede normale Kreidler“,
meinte der gute Kollege aus dem 3. Lehrjahr.
Das waren markige Sprüche, aber auch Fakten die zogen. Nur
woher das viele Geld nehmen?
„Muß ja nicht alles gleich neu sein“, beruhigte der Kumpel.
„Und den Rest machste eben selbst, ich helf’ dir ein bißchen
dabei“.
„Am besten wir fangen morgen in der Mittagspause gleich an, da ist
der Meister nicht da.
Ich kenn’ da einen im Blechbau, der macht dir bestimmt einen Stutzen“.
„Und wenn du noch ein altes Kettenrad hast, macht dir der Meier
in der Fräserei neue Zähne drauf, statt der 36 werden es dann
nur 30 sein. Mir hat er auch schon eins gemacht, geht prima“!
Nun hatte ich viele wohlgemeinte Vorschläge. Die wilde Zeit
der Bastelei konnte beginnen. Sie dauert, ehrlich gesagt, noch bis heute
an.
Das alles auch ein wenig illegal oder sogar strafbar sein könnte,
darauf kam ich erst viel später. Der Drang nach mehr an Leistung und
Geschwindigkeit war im Moment stärker. Ein zehntel PS nach dem anderen
wurde heraus gearbeitet. Und nur allmählich kam ich hinter die Geheimnisse
der Gasdynamik eines Zweitakters. Nicht immer war alles von Erfolg gekrönt.
So machte ich manchmal an jedem 3. Tag einen neuen Krümmer, bis sich
endlich die richtige Länge herausstellte. |
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Mal wurde der Auspuff unten verlegt, mal mußte
er, nach Vorbild der C 110 von Honda, oder der Gritzner „Monza“, schräg
nach oben zeigen. Ja, man wollte auch schon damals „in“ sein.
Am Ende meiner Frisierkünste hatte ich tatsächlich einen
kleinen Renner aus meiner Cavallino gemacht. Sie war damals schneller als
die 1962 auf dem Markt erschienene Kreidler-Florett-Super mit ihren 4,2
PS. |
Wenn sie nur etwas standfester gewesen wäre. Schließlich
war der Motor so stark, daß Getriebe und Kupplung nicht immer
mitmachten. Da reichte schon eine Fehlschaltung mit der ungenauen Handschaltung,
und schon war wieder mal das Getriebe im Eimer. Aber es kam noch dicker.
Der Lärm, oder besser gesagt Krach, der von meinem Moped ausging,
drang schließlich auch ans Ohr der Ordnungshüter. Und es war
da ein ganz Schlauer unter ihnen, wir Jungs nannten ihn „Schweinebacke“,
der steckte bei einer Verkehrskontrolle sogleich seinen Zeigefinger in
den Ansaugtrichter meines Dellortos.
So ein Ferkel, pfui Deibel! Für den Polizisten war nun alles
klar und er zückte auch sofort sein Notitzbuch.
„Ihre Papiere bitte“, sprach er sehr bestimmend.
Und nach einer ausgiebigen Inspektion des Ganzen, sehr überlegend
mit heruntergezogenen Mundwinkel:
„Ja, da müssen wir wohl eine Anzeige machen“.
Alle Überredungskünste und Beteuerungen meinerseits wurden
in den Wind geschlagen.
„Kommen Sie morgen im Laufe des Tages zur Wache, wir werden dann
alles zu Protokoll nehmen“, klang es weiter im Amtsdeutsch. |
Das Schicksal nahm seinen Lauf. Die Anzeige kostete
mir damals satte 20 Mark. Am Ende wurde ich vor die Wahl gestellt, alles
zurück zu rüsten oder das ganze doch vom TÜV als Kleinkraftrad
abnehmen zu lassen. Denn ich muß noch erwähnen, die Pedale hatte
ich schon längst gegen ein Paar Fußrasten und einen Kickstarter
eingetauscht. Dadurch war für den Mann in Grün das ganze ein
Kleinkraftrad. Was soll ich lange erzählen, auch das habe ich hingekriegt.
Vielleicht hat gutes Zureden oder meine gute Bastelarbeit den TÜV-Onkel
überzeugt. Jedenfalls bekam ich den behördlichen Segen für
den Umbau und danach meine Cavallino ein großes Nummernschild. Ich
glaube es war die einzige Cavallino in Deutschland überhaupt, die
so umgerüstet war.
Sie war mit einem bekannten Werbespruch gesagt: „A class of its
own“. Und so fühlte ich mich auch unter den anderen Jungs damals.
Man wollte sich doch mit dem eigenen Moped von der Menge absetzen, eben
eine Klasse für sich sein. |
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Aber die Geschichte geht noch weiter.
Um den ewigen Getriebe- und Kupplungsproblemen aus dem Wege zu gehen,
bot sich für mich der Einbau eines richtigen Kleinkraftradmotors an.
Dazu muß ich etwas weiter ausholen.
Ich hatte mir mal von einem Kumpel eine ziemlich abgewrackte Mars-Monza
mit einem 3 PS ILO Motor zugelegt, und nach und nach war ich dran gegangen
mit den Teilen davon, meine Cavallino aufzupäppeln. Was dabei
nicht paßte, wurde kurzerhand passend gemacht. So hatte ich schon
den Bing-Vergaser, samt Luftfilter der Monza, gegen den lauten Dellorto
getauscht. Damit war die Fuhre nicht mehr so aufdringlich für ein
Polizistenohr. Auch die Doppelsitzbank war gut für die Freundin
nach dem Kinobesuch. Man mußte ja der Weiblichkeit auch etwas bieten
und nicht nur mit dem Moped auffallen. |
Mit dem ILO- Motor im Rahmen hatte ich nun auch endlich
eine Fußschaltung und keine Hampelei mehr mit den beiden Schaltzügen.
Da der ILO-Motor das Kettenritzel rechts hatte, wurde einfach die Schwinge
gedreht und dann mit den längeren Federbeinen der Monza wieder montiert.
Das brachte mehr Federweg und den ersehnten Komfort für die Sozia.
Aber am Ende war es keine echte Cavallino mehr. Aus heutiger Sicht wäre
das Ganze eine total verbastelte Karre. Aber so war man eben damals. Im
Tatendrang und Erfindungsgeist war ich nicht zu bremsen. Vielleicht wurden
damals schon die Weichen für das spätere Berufsleben als Konstrukteur
gestellt. |
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Es wurde dann etwas besser, als ich meine damalige Freundin und
heutige Frau kennenlernte. Nicht, daß sie mir alles verboten hat,
nein, es wurden plötzlich andere Dinge in den Vordergrund geschoben.
Nach dem Erlangen des Führerscheins 1 und 3 mußte dann auch
bald zum Herbst ‘63 ein kleiner 4-rädriger Untersatz her. Daran konnte
auch eine Quickly T nichts mehr ändern. Es war ein NSU/FIAT
„Jagst 770“ und er war ausgerüstet mit Liegesitzen!
So etwas konnte die Cavallino nicht bieten, sie hatte ausgedient
und mußte weichen. Erst viel später kam mir, wie immer in einem
solchen Fall, die Erinnerung an diese schöne Zeit und damit die späte
Einsicht: „Hätte ich die Cavallino man doch damals behalten“!
Aber es gab kaum noch eine zu kaufen, die meisten waren einfach
zerritten und dann auf den Schrott gelandet.
Die 70er und die 80er Jahre gingen ins Land, Jahre, die erfüllt
waren mit Familie, Hausbau und beruflichem Vorwärtskommen.
Aber der Hang zum Zweirad blieb. Angespornt durch unsere jährliche
Wallfahrt zur Dutch-TT in Assen, wo wir uns ausgiebig die dort abgestellten
Motorräder anschauten, genehmigte ich mir 1970 wieder neben dem Auto
eine 125er Maico. Danach eine RD 250 von Yamaha und schließlich eine
CB 550 von Honda. Auch meine Frau machte zuerst mit einer 125er und später
mit einer 400er mit. Der Bazillus des Zweiradfahrens hatte uns beide wieder
total angesteckt. Dank der guten Qualität der japanischen Motorräder
brauchte nun kaum geschraubt werden. Wir konnten einfach drauf losfahren.
Auch mit der gebotenen Leistung waren wir zufrieden. So sind wir beide
nun jahrelang mit den Motorrädern durch fast alle Länder Europas
gereist. Mehrere Autos hatten inzwischen als Familienkutschen uns treu
gedient, darunter auch ein NSU 1200 C. Der Fuhrpark füllte schon mehrere
Garagen.
Ein technischer Leckerbissen darunter ist sicherlich der Wankel-Spider.
Aber ein Fahrzeug fehlte da noch: Die Cavallino!
Eines Abends rief meine Frau ganz aufgeregt aus dem Wohnzimmer:
„Da ist gerade in der Sendung, Gesucht - Gefunden, im WDR eine Cavallino
angeboten worden und das von jemanden hier ganz in der Nähe“. „Wäre
das was für dich?“ Ich wurde plötzlich sehr aktiv und rief sofort
beim WDR bezüglich der genauen Adresse an. Alles Weitere ergab sich
dann fast wie von selbst. Nach einer weiteren Woche hatte ich endlich wieder
eine Cavallino in den Händen. Das Angebotene glich aber mehr einem
Schrotthaufen als einem Moped. Es war ein trauriges Bild.
Doch der Schrotthaufen war komplett bis auf den Kettenschutz. |
Und es war auch nicht meine Cavallino von damals. Das
war aber auch besser so, damit blieb mir viel Zeit beim Wiederherrichten
erspart.
Die Restaurierung gestaltete sich dann auch unproblematisch. Ich
kannte von der Cavallino ja noch jede Schraube. Und den Motor konnte ich
glatt im Schlaf montieren. Ach ja, der Kettenschutz, den schenkte mir ein
Spiderfahrer aus Holland. Wie sich später herausstellte, fehlten darauf
die Befestigungshaken für die Luftpumpe. Leider merkte ich das erst
nach dem Lackieren. Schade, so fahre ich eben ohne. Daß mir die ganze
Restaurierung etwa 3000 DM gekostet hat, sei nur nebenbei erwähnt.
Nun steht sie da in neuem Glanze und nimmt einen besonderen Ehrenplatz
in meiner Sammlung von Oldtimern ein, ganz wie es einem guten Erinnerungsstück
und Jubilar gebührt.
Helmut Kolkhorst, Rahden
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